Seminar 2 in Glosa

(R. Gaskell, 1998-09; deutsch: M. Springer, 2000-01)


Grundlegende Grammatikregeln

Drei Grundregeln stehen hinter der Glosa-Grammatik. Zusammen sagen sie: Die Position bestimmt die Funktion.

  1. S-V-O: Subjekt, Verb, Objekt ist die Reihenfolge in einem Satz.
  2. Ein Wort wird modifiziert von seinem Vorgänger. 
       Ein Wort modifiziert das nächste, und so weiter.
  3. Ein Wort kann, wenn es vernünftig ist, als jede Wortart fungieren.
       Es gibt keine Wortart-Kennzeichen, sondern die Funktion des Wortes
       wird durch seine Position im Satz angezeigt.

Alle anderen Regeln in Glosa folgen aus diesen Grundregeln. Alle Sätze enthalten ein Verb: es ist das Wort, das uns die Handlung nennt, die im Satz vorkommt. Es gibt dem Satz Leben.


Verben

In Glosa ist das Wort in der Mitte des Satzes, das die Handlung beschreibt das 'Verb' ('Verb' = Wort in der Funktion des Verbs).

Beispiele:
      U kani bibe u hidra.  ...................  bibe  'verb'
             ~~~~
   [Der Hund säuft das Wasser.]

      An fo hedo bibe.  .......................  hedo  'verb'
            ~~~~   ............................  bibe  'gerund' (verb/noun)
   [Er freut sich sehr daran zu trinken.]

      Mi don ad un equs id bibe.  .............  don(a)  'verb'
         ~~~        ...........................  bibe  'noun'
   [Ich gebe dem Pferd sein Trinken.]

   Beachte: 'verb' =  Wort in der Funktion als Verb
            'noun' =  Wort in der Funtkion als Nomen 
            ' X '  =  Wort in der Funktion als ein X

Das deutsche Hilfverb "sein"

Das deutsche "sein" und das englische "to be" werden auf viele verschiedene Weisen verwendet. In Glosa dagegen wird das "sein"-Konzept genauer ausgedrückt - mit mehreren 'Verben'. Als "Handlung" war seine ursprüngliche Funktion, ein Gleichheitszeichen darzustellen, z. B. "Er ist Hans.". Glosa-Übersetzungen für verschiedene Anwendungen von "sein" sind:

  es   -  sein, Gleichwertigkeit haben mit, das Wesen eines ... haben 
  habe -  die Eigenschaft ... haben 
  gene -  werden
           [Anmerkung des Übersetzers: 
	    Im Englischen wird das Passiv mit "to be" gebildet. 
	    Der Deutsche bildet das Passiv - ähnlich wie Glosa mit 
	    "gene" - mit "werden".
	    Die Verwechslungsgefahr mit "es" ist also für den Deutschen 
	    geringer als für den Engländer.]
  eqa  -  gleichen, messen


Beispiele:
    Fe es u ju-fe.
   [Sie ist ein Mädchen.]
    An es u filosofi-pe.
   [Er ist ein Philosoph.]

    U meteo habe frigo.
   [Das Wetter ist kalt/ hat Kälte/ Es ist kalt.]
    Mi habe fo lati.
   [Ich bin sehr groß/ "Ich habe viel Länge".]

    U meteo gene ma termo.
   [Das Wetter wird wärmer/ wird "mehr heiß".
    In Englisch: The weather is warmer/gets warmer/becomes more hot.]
    U ju-an gene fatiga.
   [Der Junge ist müde/ wird müde. 
    In Englisch: The boy is tired/becomes tired.
    Meinung des Übersetzers:
    Im englischen Satz ist "tired" trotz -ed kein Passiv sondern eine 
    Eigenschaft.
    U ju-an es fatiga. Der Junge ist müde. - wäre auch korrekt.
    U ju-an gene fatiga.:
       Der Junge wird ermüdet (z. B. durch eine Fernsehsendung).]
    
    Mi habe fo turba; e fu gene koleri, si tu ne sto dice.
   [Ich bin sehr aufgeregt und werde sehr ärgerlich, wenn du nicht
    aufhörst zu reden.]

    U temperatura eqa tri-ze grada (30`C).
   [Die Temperatur ist dreißig Grad. ]
    U preci de ki-in u teatra eqa mo-penta dolara ($15).
   [Der Eintrittspreis für das Theater ist fünfzehn Dollar.]


Gewöhnliche 'Verben'

In Glosa werden einige Wörter nahezu ausschließlich als Verben verwendet, und zwar sind das Verben für allgemeine Zwecke, wie: -

  habe  - haben
  ki    - gehen
  veni  - kommen
  tena  - halten, nehmen, greifen


Verboiden

Einige Wörter sind in Glosa "beinahe Verben", aber keine "vollwertigen Verben" aus eigener Kraft. Sie sind keine allein stehenden Verben, sondern ein Zusatz zur Bedeutung des "vollwertigen Verbs", das normalerweise das letzte Wort einer Verbalphrase ist. Diese Verboiden sind ein Mittelding aus Adverbien und Verben. Beispiele:

  posi   - könnte, möglicherweise
  pote   - kann, die Fähigkeit haben zu ...
  nece   - müssen, brauchen, notwendig
  lice   - erlaubt sein zu, erlauben
  debi   - sollte
  hedo   - sich freuen zu ..., gern, fröhlich
  forti  - heftig
  seqe   - folgend, anschließend 
  vo(lu) - wünschen, wollen, würde
  tanto  - so sehr, fast
  tosto  - bald


EG  Mi fu posi ki ad u boteka.
   [Ich werde vielleicht zu dem Laden gehen.]
    An pote kurso fo celero.
   [Er kann sehr schnell laufen.]
    Kron mi voka, fe tosto veni in u domi.
   [Wenn ich rufe, kommt sie bald ins Haus.]
    Mi gina fu hedo kanta pro vi.
   [Meine Frau wird gern für euch singen.]
    Tu lice habe id.
   [Dir ist erlaubt, es zu haben.]
    Pa noktu, mi tanto ariva pre u pluvi. 
   [Letzte Nacht bin ich fast vor dem Regen angekommen.]
     (Vergangenheit wird durch "pa noku" angedeutet, deshalb wäre
     "pa tanto ariva" nicht gut.)

Hilfsverben

Diese Wörter "helfen" dem Verb bei seiner Arbeit. Obwohl sie dem Hauptverb gewöhnlich als getrennte Wörter folgen, wirken sie mit ihm zusammen wie ein Kompositum. Beispiele: -

  ana    - aufwärts         EG  ki ana       [auf-steigen]
  kata   - abwärts          EG  ki kata      [ab-steigen]
  retro  - zurück           EG  kurso retro  [zurücklaufen]
  itera  - wieder           EG  akti itera   [wiederholen (wieder tun)]
  ab     - weg              EG  greso ab     [weggehen]
  versi  - umgekehrt        EG  viagia versi [zurückreisen]
  avanti - vorwärts         EG  ki avanti    [fortschreiten]


EG  An pa ki kata un orto-lo; sed an nece skende itera ana id, te
   [Er fiel von der Klippe herab, aber er musste wieder hinaufsteigen, um

    gene an kefa-ve; qi veni ab an kefa pre an pa kade.
    seinen Hut zu bekommen, der von seinem Kopf "kam", bevor er fiel.]

Wie wird das 'Verb' modifiziert?

In Glosa kann das Wort, das als Verb fungiert, durch das Davorsetzen von kurzen Wörtern, sogenannten Partikeln beeinflusst ("modified", modifiziert) werden. Diese Partikel könnten die Zeit des Geschehens ändern, es verneinen, es auf das Subjekt rückbeziehen oder es bedingend mit einem anderen Geschehen verknüpfen. Genauso könnte die Handlung an - oder gerade nicht an - einem Objekt ausgeführt werden. Und dann wird zur Abwechslung mal die Stellung von Subjekt und Objekt vertauscht.


. Zeitpartikel

Die Zeitpartikel werden im Detail in der Zeittabelle behandelt. Es sind kurze Wörter, die am Anfang einer Verbalphrase stehen, gewöhnlich einzeln, manchmal aber auch in Gruppen. Sie sagen uns, WANN eine Handlung stattfindet.

     -  Kein Partikel vor dem 'Verb' deutet eine Gegenwart an 
          (Aber auch ein früherer Zeitpunkt kann sich aus der Logik
	  ergeben.)
 pa  -  einfache Vergangenheit (tat, machte)
 fu  -  Futur (wird machen)
 nu  -  eine unmittelbare Gegenwart (gerade jetzt)
 du  -  Verlaufsform (Progressive Form) (ist fortlaufend dabei zu machen)
 pra -  Plusquamperfekt, voll abgeschlossene Handlung (pra  [hatte])

  EG  Un andra nu pa veni in u domi.
               ~~~~~
     [Der Mann kam gerade dann in das Haus.]


Konditionalsätze

Wenn eine Handlung nur stattfindet, wenn etwas anderes vorher passiert ist, dann nennen wir die zweite Handlung ein Konditional zur ersten. Im Deutschen wird das gewöhnlich gezeigt durch "würde", "sollte" oder "könnte" [bzw. den Konjunktiv].

 sio      - würde
 sio debi - sollte
 sio posi - würde vielleicht, könnte

  EG  Si mu gene pluvi, plu-ci sperma sio posi kresce in alti fito.
     [Wenn es regnen würde, könnten diese Samen zu hohen 
     Büschen wachsen.]


Verneinungen

Wenn eine Handlung NICHT stattfindet, zeigen wir das mit einem Verneinungswort vor dem Verb an. So ist es im Deutschen, und sehr ähnlich auch in Glosa.

 ne        -  nicht
 no        -  un-
 nuli      -  nie  (auch mit 'Nomen':  nuli ra [keine Sache, nichts])
 ni X ni Y -  weder X noch Y

  EG  U gina ne ki a plu boteka; ka fe vagona ne ergo.
     [Die Frau ging nicht zu den Geschäften, weil ihr Auto nicht 
     funktionierte.]


Reflexive Verben

Wenn eine Handlung die Person oder die Sache betrifft, die sie verursacht hat, nennen wir die Handlung "reflexiv". In Glosa gibt es zwei Partikel, die nach dem 'Verb' stehen und anzeigen, dass die Handlung vom Subjekt des Satzes empfangen wird. "auto", wenn das Subjekt ein Mensch ist, "se" für nicht-menschliche Subjekte.

 -se  -  sich selbst
 auto -  ihm selbst, ihr selbst, ihnen selbst 

  EG  Jon vagona frakto-se, tem an du age ad an ergo-lo.
     [Jons Wagen ging kaputt (brach sich), während er zur Arbeit fuhr.]

      Kron fe skende kata plu grada; fe pa kade, e noku auto.
     [Als sie die Stufen herabstieg, fiel sie und tat sich weh.]


Transitiv/intransitiv

Während ein normaler deutscher Satz zwei Nominalphrasen hat, die durch eine Verbalphrase getrennt werden, gibt es Sätze, die kein wirkliches Objekt, also keinen Empfänger der Handlung, haben. Diese werden "intransitive" Sätze genannt. Glosa folgt folgenden Mustern: -

  Transitiv   S-V-O       
     z. B.  U kani fago u karni.  [Der Hund isst Fleisch.]
  Intransitiv   S-V 
     z. B.  U kani voka.          [Der Hund bellt.]
  Intransitiv   S-V(-IO)     
     (IO ist "indirektes Objekt" (in der Regel Dativobjekt))
     z. B.  U kani voka ad u posta-pe.
    [Der Hund bellt den Briefträger an.]


Passiv

Während das meiste Deutsch und Glosa die normale Struktur hat, wo die Sache, die handelt zuerst kommt und was die Handlung empfängt als letztes (Aktiv), erlauben beide Sprachen dem Empfänger der Handlung auch eine Erwähnung am Anfang des Satzes (sogenanntes Passiv). Es kann als (O-) V (-S)-Satz (Objekt-Verb-Subjekt) verstanden werden:

 X V Y  -  X tut V an Y         z. B. U kani morda un andra.
  .................................  [Der Hund beißt den Mann.]

 Y wird ge-V-t von X  -  Y wurde mit Handlung V behandelt von X
  EG  Un andra gene ge-morda ex u kani.
     [Der Mann wird von dem Hund gebissen.]